1.Einführung |
Die Diagnostik nimmt mit Recht schon immer einen breiten Raum
im Bereich der Sonderpädagogik ein, kann die gezielte Förderung eines
Kindes ja erst nach Ermittlung des aktuellen Lernstandes begonnen werden.
Aus diesem Grund gibt es unzählige standardisierte Test zu
allen Bereichen der Kulturtechniken sowie zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen
von Schülern.
Diese standardisierten Tests müssen – sollen sie ja
objektive Ergebnisse liefern –
nach genauen Vorgaben durchgeführt werden. So dürfen zusätzliche
Fragen, die Einblick über die Denkvorgänge des Kindes geben könnten,
nicht gestellt werden.
Dadurch kann man anschließend die Leistungen der einzelnen
Schüler mit anderen einer Klasse, einer Schule, eines Ortes oder
Bundeslandes vergleichen.
Diese objektiven Ergebnisse zeigen, wie die Leistungen des
getesteten Schülers im Vergleich zu anderen einzuschätzen sind. Sie
sagen jedoch meist wenig über den aktuellen Lernstand des Kindes aus.
Ebenso wenig erfahren wir darüber, in wie weit das Kind Lernhilfen
annehmen und verarbeiten kann, was für die einzuleitenden Fördermaßnahmen
nicht unerheblich ist.
Deshalb kamen ja schon in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts in
der „Förderdiagnostik“
(Kornmann 1986) sog. „informelle Testverfahren“ zum Einsatz, bei denen
es nicht um die Erhebung vergleichbarer Daten ging, sondern allein darum,
möglichst differenziert den Lernstand eines bestimmten Kindes und seine
Lernfähigkeit für diesen Bereich zu erfassen. In einem zweiten Schritt
sollte auf diesen Erkenntnissen basierend ein Förderplan für das
jeweilige Kind erstellt werden.
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Auch heute noch investieren Sonderschullehrer viel Zeit in die Erfassung
des Lernstandes der ihnen anvertrauten Kinder zur Erstellung
von aussagekräftigen und praktikablen Förderplänen für ihre Schüler.
Und von Lehrkräften, die in integrativen oder inklusiven
Unterrichtsprojekten arbeiten, wird selbstverständlich eine gute fachmännische
Diagnose erwartet und daraus abgeleitet der entsprechende Förderplan.
Bei all dieser Arbeit spielt natürlich auch die Arbeitszeit ein
wesentlicher Faktor. Die Frage stellt sich: Wie kann ich mit möglichst
wenig Zeitaufwand sowohl für den „testenden Lehrer“ als auch das
jeweilige Kind aussagekräftige Daten erheben?
Hier bietet der vom Autor entwickelte GEDL eine gute Alternative zu den
auf dem Markt befindlichen standardisierten Lesetests. Neben der einfachen
und zeitsparenden Durchführung hat das Verfahren für das zu überprüfende
Kind den Vorteil, dass der Prüfungsdruck weitgehend entfällt, weil ohne
feste Zeitvorgabe mit Wörtern gearbeitet wird, die für das Kind von
Bedeutung sind. Deshalb wird bei der GEDL grundsätzlich mit dem Namen des
Kindes, dem Schulort sowie weiteren Wörtern aus seinem Umfeld begonnen.
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2. Der Testbogen |
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1
Download des Testbogens |
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2 |
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3. Anweisungen zur Durchführung |
Vorbemerkung: |
Der GEDL dient zur informellen Überprüfung der
Lesleistungen von Lesanfängern und schwachen Lesern ab dem 2. Halbjahr
des 1. Schuljahres bis Ende der zweiten Grundschulklasse bzw. der 3.
Klasse der Förderschule (in abgeänderter Form auch für „ältere
Nichtleser“).
Die Kinder erhalten die Möglichkeit, in einem Gespräch mit
dem Testleiter zu zeigen, welche Teilfunktionen des Leseprozesses sie
beherrschen.
Anknüpfend am diagnostizierten Leistungsstand des Kindes
kann danach eine gezielte Diagnose durchgeführt werden.
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Die Wörter und Sätze wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt:
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 | Bekanntheitsgrad für das Kind (der Eigenname ist im allgemeinen
das erste und wichtigste Wort für ein Kind; der Wohn- bzw. Schulort ist
den Kindern im allgemeinen auch bekannt; Bus steht an jeder Haltestelle )
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Lautreine, leicht zu synthetisierende Wörter (bis auf den Namen
des Kindes)
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 | Möglichkeit der
Minimalpaarbildung (Mama
Mami, Schule
Schale)
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Was kann der GEDL ermitteln? (s. Testbogen)
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Zum Eigennamen |
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Kennt das Kind seinen Namen ? (Optische
Erfassung von Ganzwörtern)
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 | Kann das Kind seinen Namen von ähnlichen Wörtern unterscheiden ? (Optische
Binnendifferenzierung von Ganzwörtern)
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Kann das Kind den Unterschied zeigen ? (Erkennen
von einzelnen Graphemen)
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 | Kann das Kind den Unterschied benennen ? (z.B. "Hier fehlt ein
a" : Graphem-Phonem-Zuordnung)
; weitere Frage: "Kennst du
noch andere Buchstaben ?" Kind zeigt und benennt weitere Buchstaben
in anderen Wörtern
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 | Kann das Kind das/die anderen Wörter lesen ? z.B. "das hier
heißt "Manu": Buchstaben-Laut-Synthese = Erlesen
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Kennt das Kind Groß- und Kleinbuchstaben ? Zuordnung
Großbuchstabe - Kleinbuchstabe
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eventuell: feinmotorische
Fähigkeiten bzw. erste Rechtschreibkenntnisse |
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Kann das Kind seinen Namen Schreiben ? ("Kannst du deinen
Namen auch
schreiben ?" Feinmotorik)
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 | Schreibt
das Kind seinen Namen auswendig ? (Ganzwortspeicherung)
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Schreibt das Kind in Druckschrift oder Schreibschrift ?
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Zum Wohnort "Weinheim"
als Beispiel für den Schulort |
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Kennt das Kind das Wort "Weinheim" oder findet es nur
zwei gleiche Wörter ?
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Erkennt das Kind den Anfang von "Weinheim" =
"Wein"
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Hört das Kind im Wort "Weinheim" das Wort
"Wein" akustische Analyse
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 | Erkennt das Kind die zweite Hälfte von "Weinheim" =
"heim"
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 | Kann das Kind "Wein" lesen ?
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 | Kann das Kind "heim" lesen" ?
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Erkennt das Kind in "Wienheim" das vertauschte
"ei" ?
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Zum Wort "Bus" |
wie
bei den anderen Wörtern, aber zusätzlich
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Zuordnung Bus - BUS
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Erkennt das Kind den Unterschied von Bus und Bns bezw. Bsu
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Kann es Buchstaben benennen ?
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Zum Wort "Schule" |
 | Findet das Kind die beiden richtigen Wörter ? (das kann rein
optisch geschehen, ohne dass das Kind weiß, wie die beiden Wörter heißen)
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Kann das Kind die Unterschiede zu den anderen Wörtern zeigen ?
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Kann das Kind die Unterschiede benennen ? z.B. "Hier ist ein a
und da ist ein u".
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Kann das Kind ein anderes Wort erlesen z.B. Schi
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Zu den Wörtern "Mama"
und "Oma" |
 | Durch die Minimalpaarbildung kann das Kind zeigen, ob es die
Funktion der einzelnen Buchstaben verstanden hat = z.B. Wenn ich ein
"i" sehe, muss ich auch ein "i" hören
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 | Minimalpaare: Mama Mami Mimi Oma Omi Omo (s.
Schmitt 2006) |
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Zu den beiden Sätzen
"Manuel ist im Bus." "Manuel ist in der Schule". |
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Welche Wörter erkennt das Kind ?
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Welche Wörter kommen in beiden Sätzen vor ?
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Kann das Kind einen Satz lesen ? Frage: "Weißt du, wie das
heißt ?"
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Zum sinnerfassenden Lesen (2
Bilder mit jeweils 3 Auswahlsätzen) |
 | Findet das Kind den jeweils passenden Satz ?
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Wenn nicht, welche Wörter kann es lesen ?
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Durchführung: |
Es
bieten sich 3 Durchführungsarten an: |
Die Gruppen der fünf Wörter (Eigenname, Schule, Schulort,
Bus, Mama) sowie die beiden Sätze (Manuel ist im Bus. Manuel ist in der
Schule) können alle zusammen auf einem Blatt dem Kind vorgelegt werden.
Abwarten, wie das Kind reagiert. Wenn keine Reaktion erfolgt, fragen:
"Kennst du ein Wort auf diesem Blatt?" So lange das Kind von
sich aus erzählt, zunächst keine Fragen stellen. |
Es kann jedoch auch sinnvoll sein, immer nur ein Wort mit den
verschiedenen richtigen und "falschen" Schreibweisen vorzulegen
und das Kind darüber sprechen zu lassen. |
Bei ganz schwachen Kindern bietet es sich an, die Wörter auf Wortkarten
zu übertragen. Die Kinder können dann die einzelnen Wörter in die Hand
nehmen ("begreifen"), zuordnen und somit besser vergleichen und
auch minimale Unterschiede feststellen. |
Die Bearbeitungszeit spielt
keine Rolle !
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4. Das Protokollblatt
Download des Protokollblattes |
5. Ergebnisse |
 | Das Kind erkennt
(nicht) gleiche Wörter |
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 | Das Kind erkennt
(nicht) gleiche Buchstaben |
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 | Das Kind kann
einzelne Buchstaben (nicht) benennen, welche? |
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 | Das Kind kennt
(keine) Groß- und Kleinbuchstaben, welche? |
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 | Das Kind kann den Kleinbuchstaben die entsprechenden
Großbuchstaben (nicht) zuordnen |
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 | Das Kind kann Wörter
akustisch (nicht) zerlegen "Wein - heim" |
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 | Das Kind kann
einfache Buchstabenverbindungen (nicht) erlesen |
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 | Das Kind kann
lautreine Wörter (nicht) erlesen |
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 | Das Kind kann
einfache Sätze (nicht) erlesen |
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 | Das Kind kann einem
Bild den richtigen Satz (nicht) zuordnen |
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6.
Zusammenfassung |
Der „Ganzheitliche Einstieg zur Diagnose der Leseleistungen“ (GEDL)
ist ein informeller Lesetest aus der Praxis, der es ermöglicht,
im Dialog mit dem Kind schnell relevante Daten bezüglich seiner
Kompetenzen im Leselernprozess zu erheben.
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Dabei
wird an Hand des Testmaterials dem zu überprüfenden Kind die Möglichkeit
gegeben, im Dialog mit dem Prüfer seine derzeitigen Kompetenzen bezüglich
des Lesens darzulegen. |
Der
auf die jeweiligen Kinder zu modifizierende Testbogen trägt zu einer
entspannten Testatmosphäre bei. |
Die
aus der Testung gewonnen Daten dienen als Grundlage für einen Förderplan. |
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